Station 5

Elisabeth Kohn

Briennerstraße 9 (am Platz gegenüber des Hauses)

 

Elisabeth Kohn wird am 11. Februar 1902 in München geboren. Ihr Vater betreibt einen Großhandel mit Getreide und Futtermitteln, den nach seinem Tod 1933 die Mutter Olga weiterführt. Zu ihr und ihrer zwei Jahre jüngeren Schwester Marie Luise Kohn hat Elisabeth Kohn zeitlebens eine enge Beziehung.
Elisabeth besucht das Humanistische Gymnasium und nimmt anschließend als eine von sehr wenigen Frauen ein Studium der Rechtswissenschaften auf. Daneben studiert sie Philosophie, Psychologie und Pädagogik. Im November 1928 beendet sie ihr Referendariat und wird als eine der ersten Frauen als Anwältin in München bei den Landesgerichten I und II und beim Oberlandesgericht zugelassen. Zwar steht schon 1919 in der Weimarer Verfassung festgeschrieben, dass alle Ausnahmebestimmungen gegen weibliche Beamte beseitigt werden. Trotzdem bleibt die Zahl der Frauen in den von Männern dominierten Rechtswissenschaften lange sehr klein. Im Jahr 1933 sind lediglich 36 Frauen in der deutschen Justiz beschäftigt und weitere 252 als Anwältinnen tätig. Als engagierte Demokratin hat es Elisabeth Kohn besonders schwer. Sie muss sich in einer Justiz behaupten, die auf dem rechten Auge blind ist.

1928 fängt sie an, in der renommierten Kanzlei der Anwälte Dr. Max Hirschberg, Philipp Löwenfeld und Ludwig Regensteiner zu arbeiten, die ihren Sitz hier in der Briennerstraße 9 hat. Diese Kanzlei widmet sich politischen Strafprozessen und vertritt neben der südbayerische SPD auch zahlreiche jüdische Bürger. Ihr politisches Engagement zeigt Elisabeth Kohn auch außerhalb ihrer Arbeit als Anwältin. Sie ist aktiv in der SPD, der Liga für Menschenrechte und den Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbund und sie schreibt für die SPD-nahe Tageszeitung Münchner Post, deren Redaktionsräume die Nationalsozialisten 1933 nach der Machtübernahme verwüsteten und die sie verbieten.

Auch in der Kanzlei kann Elisabeth Kohn nur bis August 1933 verbleiben. Dann wird ihr die Zulassung als Anwältin entzogen. Ihre Beschwerde lehnt das Justizministerium mit der Begründung ab, „sie sei jung und ledig und könne in irgendeinem Frauenberuf unterkommen“.
Ohne die Chance in ihrem Beruf weiter arbeiten zu können, beginnt Elisabeth Kohn in der Fürsorgeabteilung des Wohlfahrtsamtes der Israelitischen Kultusgemeinde München zu arbeiten. Sie engagiert sich in der Zionistischen Ortsgruppe, gibt dort Kurse über Fragen der Emigration, und hilft anderen Juden, sich auf die Ausreise nach Palästina vorzubereiten. Als „Hilfskonsulentin“ berät sie ab November 1940 jüdische Flüchtlinge. Ihrer kranken Mutter Olga zuliebe verzichtet Elisabeth Kohn selbst auf eine Ausreise.

1939 wird die elterliche Wohnung in der Loristraße 7 zwangsenteignet und die Familie musste innerhalb von kurzer Zeit mehrmals umziehen.  Verzweifelt bemüht sich Elisabeth Kohn zumindest ihrer Schwester Marie Luise die Emigration zu ermöglichen, die als Künstlerin in verschiedenen Münchner Künstlervereinigungen aktiv war. Als Marie Luise  endlich die nötigen Visa und Sicherheiten für eine Ausreise in Händen hielten, ist es zu spät. Am 20. November wird Elisabeth Kohn zusammen mit ihrer Mutter Olga und ihrer Schwester Marie Luise nach Kaunas verschleppt und dort fünf Tage später von SS-Einsatzgruppen  erschossen. Elisabeth Kohn ist zu diesem Zeitpunkt 39 Jahre alt.
 

Friederike Beck