Karl Wiesel, geboren am 4. November 1881 in Südgalizien, der heutigen Ukraine kommt 1896 über Wien nach München.
1905 heiratet er die aus Würzburg stammende Ernestine Kiesel. Ihr gemeinsamer Sohn Jakob wird 1918 in Wien geboren. Ab 1922 bewohnen sie eine Villa in der Möhlstraße 9.
Anfangs betreibt Wiesel in der Dultstraße 2a die Partiewaren-Halle Karl Wiesel. 1910 gründet er mit Isidor Fett das erste Film-Atelier – die Bayrische Filmgesellschaft Fett & Wiesel. Er ist Direktor der EMELKA und Geschäftsführer der Harry Piel Film Companie mbH sowie der Weltfilm Gesellschaft. Zahlreiche populäre deutsche Kinofilme produziert der Filmkaufmann Wiesel und gilt zu den Mitbegründern der Filmstudios am Geiselgasteig.
Zudem sammelt er mit Samuel Knoblauch Geld für das Grundstück in der Reichenbachstraße, wo 1931 eine Synagoge errichtet wird.
Gemeinsam mit seiner Ehefrau Ernestine und seinem 20-Jährigen Sohn Jakob emigriert Karl Wiesel am 18. April 1938 in die Schweiz.
Anscheinend wollte das Ehepaar Wiesel aufgrund des bereits zwei Jahre dauernden Krieges im August 1941 Europa verlassen und so besteigen sie die S.S. Navemar, welche mit über tausend jüdischen
Flüchtlingen völlig überladen von den beiden Häfen Sevilla und Lissabon ablegt.
Das Schiff, eigentlich ein Frachter, erreicht zwar am 12. September sein Ziel New York, aber während der siebenwöchigen Überfahrt bricht aufgrund der unhygienischen Zustände und mangelhafter Ernährung Typhus aus. Sechs Passagiere sterben noch an Bord, sieben weitere nach der Ankunft.
Karl Wiesel stirbt am 25. August 1941 während der Überfahrt auf dem Flüchtlingsschiff SS Navemar. Seine Ehefrau Ernestine stirbt 1945 in Mexiko.
Am 21. November 1941 erscheint ein Nachruf in der deutsch-jüdischen Zeitung Aufbau in New York:
„Karl Wiesel tot
Karl Wiesel, einer der führenden Männer der deutschen und europäischen Filmbranche, ist, wie wir erst jetzt erfahren, auf dem Unglücksschiff "Navemar" am 25. August, kurz vor seinem 60.
Geburtstag, in den Armen seiner Gattin gestorben.
Karl Wiesel war geborener Österreicher, lebte in München, gründete dort mit seinem Teilhaber die Bayrische Filmgesellschaft Fett & Wiesel, und brachte diese Firma zu größter Blüte. Einige Jahre später entstand daraus der große Emelka-Konzern, Aktien-Gesellschaft, in dessen Direktorium Karl Wiesel einen ersten Platz einnahm.
Wiesel gründete u. a. in München zusammen mit einigen Freunden eine der schönsten Synagogen, die einzige, die heute noch besteht und Gottesdienste abhält. Er spendete für Kranken- und Waisenhäuser sowie Ferienkolonien, ohne je viel Worte darüber zu verlieren.“
Eva König