Schlusstext

Der 9. November ist ein Schicksalstag der deutschen Vergangenheit. Wie kaum ein anderes prägt dieses Datum, prägen die mit ihm verknüpften Ereignisse den Lauf unserer Geschichte. Die Wirkkraft der schicksalsträchtigen November-Tage ist bis in unsere unmittelbare Gegenwart spürbar.


Doch es ist vor allem der 9. November 1938, der als ein Tag ungeheuerlicher Schandtaten in unser kollektives Gedächtnis eingeschrieben ist. An diesem Tag, der als „ Reichskristallnacht“ in die Geschichtsbücher eingegangen ist, wurde das Tor nach Auschwitz aufgestoßen.
„Kristallnacht“ – das Wort erinnert an eingeworfene Schaufenster von Geschäften jüdischer Eigentümer, an verwüstete Wohnungen, brennende Synagogen und mit Hetzparolen beschmierte Wände. Diese Zerstörungen waren jedoch nur die äußerlich sichtbaren Spuren der nationalsozialistischen Aggression. Dahinter verbirgt sich weit mehr. „Kristallnacht“, das bedeutet auch und vor allem: geplante und spontane Gewaltausbrüche und Mordaktionen gegen Menschen – also: Terror jenseits materieller Zerstörungen.


Jüdische Münchnerinnen und Münchner waren bis 1933 Teil der Münchner Stadtgesellschaft. Viele engagierten sich privat oder beruflich für das kulturelle Leben der Stadt. Als Schauspieler, Künstler, Musiker, Schriftsteller, Architekten, Kunstsammler, Verleger, Fotografen und in vielen anderen kreativen Berufen hatten sie entscheidend zum Ruf Münchens als eine der führenden Kunstmetropolen Europas beigetragen. Das NS-Regime nahm ihnen nahezu alle Möglichkeiten zur schöpferischen Arbeit und diffamierte ihre Werke als „undeutsch“ und „entartet“.


79 Jahre nach den Novemberpogromen von 1938 erinnert(e) die heutige Namenslesung an 256 Münchner Künstler und Kulturschaffende, die durch den Holocaust ihr Leben verloren. Sie wurden entrechtet und verfolgt, gedemütigt und misshandelt. Sie wurden in Todeslager verschleppt und ermordet. Ihr Beitrag zum kulturellen Leben der Stadt ist aus der kollektiven Erinnerung weitgehend verschwunden. Sie alle waren Bürger dieser Stadt.

 

Wir haben ihrer gedacht und ihre Namen genannt.

Dr. Andreas Heusler